Einleitung

Das merken wir daran, wenn unsere Töchter zu uns sagen: "Ja, damals vor 1000 Jahren war so etwas vielleicht noch modern!"
Älter werden ist nur bedingt witzig. Aber vielleicht haben wir jetzt endlich mal die Chance, auf Konventionen pfeifen zu können. Wir müssen nicht mehr jedem Kerl gefallen, wir sind selbstbewusster und stärker geworden und es ist ein herrliches Gefühl, nicht mehr so viel auf die Meinung Anderer geben zu müssen.
Jetzt ist es an der Zeit, die verschütteten Teile unserer Selbst wieder auszugraben: Qualitäten wie Verspieltheit, Sorglosigkeit, uns wieder in unserer Haut zu Hause zu fühlen.

Wir sind die Generation, der - zumindest theoretisch - alle Chancen offen stehen. Unsere Mütter/Großmütter hatten noch auf Konventionen Rücksicht zu nehmen, der Begriff "Patchworkfamilie" ist ja neueren Datums. Ich kenne kaum eine Freundin, die noch mit dem Vater ihres ersten Kindes liiert ist.
Aber ist es nicht gerade diese Vielfalt an Möglichkeiten, die auch enorm unter Druck setzen kann? Was ist, wenn ich mich jetzt falsch entscheide? In 5-10 Jahren will mich kein Arbeitgeber mehr haben. Oder ist es vielleicht bis dahin mit dem Jugendwahn wieder vorbei? Lernt bis dahin die Gesellschaft, von Erfahrung und Reife "älterer" Menschen zu profitieren?

Eines habe ich bei meinen Interviews mit Entzücken/Erstaunen wahrgenommen: Es gibt sie noch, die Männer, die seit 15, 20 Jahren fest an der Seite ihrer Partnerinnen stehen, durch alle Höhen und Tiefen.
Da dies mein erstes Buch ist, war ich sehr unsicher, ob das Thema auch für andere (Frauen) so von Interesse ist, wie für mich. Meine Freundinnen fanden es sehr interessant, sahen sich aber zeitlich (!?) nicht in der Lage, dazu beizutragen.

Erst ein Aufruf (danke, "Hamburger Abendblatt") brachte die gewünschte Resonanz - und was für eine! Ich war regelrecht erschlagen, meine Tochter weigerte sich, leicht hysterisch, ans Telefon zu gehen.
Als ich den ersten Beitrag per E-Mail bekam, war ich unendlich gerührt! Welch ein Vertrauen, mir, einer völlig Fremden, einen so intimen, schonungslosen Lebensbericht zu überlassen!

Auf die eine oder andere Erfahrung in der Arbeit mit diesen Frauen hätte ich gerne verzichtet, aber anscheinend gehört auch das dazu.

Die Beiträge sind teils per Interview geführt und von mir geschrieben, teilweise von den Frauen selbst verfasst worden, je nach Bedarf. Es war mir ein Anliegen (und ein Versprechen), die Beiträge nicht unter konformistischen Gesichtspunkten zusammenzustutzen oder zu verändern, ich bin der Meinung, dass eine Vielfalt an Schreibstilen zur Kurzweiligkeit eines Buches beträgt. Außerdem sollte die Authentizität der Lebensberichte nicht verwässert werden - ich habe die feste überzeugung, dass jede Lebensgeschichte interessant ist, wir aus jeder etwas für uns herausziehen können.

Aus nahe liegenden Gründen wurden die Vornamen der Frauen größtenteils geändert.

Hamburg, im April 2004

Julia Strelow

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